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Tulenin

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Tulenin ist tief mit der Geschichte Ulshars verwoben. Nicht nur ist es eines der ältesten Fürstentümer des Landes, sondern auch eines der erfolgreichsten. Gleich mehrere ehemalige Herrscher kamen aus Tulenin, etwas, dass man noch heute durch die Tuleniner Hirsche sehen kann, welche sich im königlichen Wappen finden lassen. Doch auch andere Spuren lassen sich finden.

Tulenin gilt als die Wiege der Religion Ulshars. Auf seinem Gebiet, zeigten sich die Götter den Menschen. In diesem Fürstentum betraten die Sendboten die Bühne und nicht zuletzt wird hier die Religion mehr, als in so manch anderen Landstrichen verehrt. Den Klerikern wird mit Respekt begegnet und immer wieder sieht man Klöster, die auf Hügeln stehen und über das Land zu wachen scheinen.

Tulenin wird oftmals als das Fundament Ulshars bezeichnet. Fruchtbare Kornfelder, Wälder und Auen bestimmen das Bild, durchzogen von Flüssen und Seen, an denen sich Fischer ansiedeln. Dieser Überschuss an Nahrung sichert Tulenin gute Handelsbeziehungen zu den umliegenden Fürstentümern und sorgt dafür, das Ulshar ernährt wird.

Doch auch anders ist es ein Fundament. Denn Tulenin ist sehr traditionell. Lange und gut überlegen die Tuleniner, bevor sie eine Entscheidung treffen, und nicht selten halten sie sich an alte und bewährte Traditionen, deren Ursprung schon fast keiner mehr kennt. Selten wird sich noch ein Einwohner Tulenins entsinnen, warum genau man zuerst die Hand in eine fremde Wohnstatt steckt, bevor man sie betritt. Und so wird auch bei der Regierung auf altbewährtes gesetzt. Fürst Leonhard aus dem Geschlecht der Guldereen regiert das Land und verschiedene Barone und Ritter üben Gerichtsbarkeit und andere Verwaltungsaufgaben aus.

Kurzum: man weiß, worauf man sich in Tulenin verlassen kann. Doch kann dieses Gefühl der Sicherheit nicht auch trügen? Kann sich hinter dieser Fassade nicht doch ein cleverer Plan verstecken, seine eigenen Ziele zu erreichen und den Gegner träge werden lassen? Finde es heraus, auf dem Broken Crown!

Ritter in Wald und Au

Tulenin ist neben Kalden eines der ältesten Fürstentümer Ulshars. Viele Könige kamen aus Tulenin, was man auch an dem Tuleniner Hirschen im Königswappen erkennen kann. Der Tuleniner an sich ist recht traditionsbewusst. Eine gewisse Unbeweglichkeit wie ein Fels wird den Tuleninern nachgesagt. Es stimmt: Es ist nicht leicht, einen Tuleniner von etwas Neuem zu überzeugen. Das liegt aber nur zum Teil an der Sturheit der Einwohner. Zum Anderen aber auch daran, dass man Sachen gerne durchdenkt und sie „sacken“ lässt. Natürlich ist es schwer, einen Felsen zu bewegen. Aber es ist auch schwer, einen Felsen aufzuhalten, wenn er erst einmal in Bewegung gekommen ist.

Regierung

Die Regierungsform Tulenins ist feudal. Tulenin wird von einem Fürsten regiert. Derzeit herrscht Leonhart aus dem Geschlecht der Guldereen. Es gibt neben dem Fürsten diverse Barone und Ritter, welche die niedere Gerichtsbarkeit ausüben dürfen.

Religion

Tulenin ist die Wiege der Religion Ulshars. Hier zeigten sich die ersten Götter, hier traten ihre Sendboten auf. Noch heute ist eine besondere Spiritualität unter der Bevölkerung zu spüren, die nichts mit Frömmelei zu tun hat. So verwundert es auch nicht, dass in Tulenin viele Klöster stehen und den Klerikern mit Respekt und Achtung begegnet wird.

Rohstoffe

Tulenin kann durchaus als ein gesegnetes Land bezeichnen: Es hat viele Wälder und Auen. Fischreiche Flüsse durchziehen das Land. Neben Korn wird hauptsächlich Flachs angebaut, der zu Leinen verwoben wird, welches als Tuleniner Tuch in ganz Ulshar geschätzt wird. Im Norden bildet das Gebirge eine natürliche Grenze. Doch Edelmetalle sind selten. Es gibt wenige Steinbrüche, da das brüchige Gestein sich nicht gut für Bauten eignet.

Traditionen

Tuleniner sind sehr traditionsverbunden, auch wenn die Ursprünge so manchen Brauches nicht mehr jedem bekannt sind. So ist es Brauch, beim ersten Besuch seinem Gastgeber eine einzelne Blume zu reichen. Dies geht auf die Tuleniner Blumennacht zurück, in der die Grafschaften Tulenins zu einem Fürstentum friedlich vereint wurden. Beim Betreten einer fremden Wohnstatt (Haus, Wohnung, Zelt) streckt man als erstes die Hand zur Tür herein. Der Brauch des Fischelns geht auf den handfesten Streit zweier Fischweiber zurück. Heutzutage ist es eine Volksbelustigung und Wettstreit für die einfachen Leute.

Verhältnis und Verständnis zu anderen Ländern

Aquillien

Reiche Raffsäcke, die immer nur mehr, mehr, mehr wollen. Sie nutzen ihren Reichtum nicht, um es ihren Familien und Freunden besser gehen zu lassen, sondern um sich mit Tand und Glitzerkram zu behängen. Das ist nicht im Sinne der Götter! Die Götter geben uns die Fülle, damit keiner darben muss. Und dieses neumodische Schießpulver wird auch nur Unheil über uns alle bringen. Leider brauchen wir sie, denn Aquillien ist der Hauptmarkt für unser gutes Tuleniner Tuch. Sie halten sich für etwas Besseres, weil sie so reich sind, dass sie sich mit Parfum bestäuben können, anstatt sich mit Wasser zu waschen.

Hassar

Wer braucht schon die Barbaren aus Steppe und Wüste? Die sind gefährlich! Sie nehmen, was ihnen gefällt und bringen jeden um, der sich ihnen in den Weg stellt. Ja, sie zahlen Höchstpreise für Tuleniner Tuch, aber ist es das Risiko einer Reise durch die Wüste wert? Heute noch können sie die gastfreundlichsten Menschen der Welt sein und morgen, wenn Du ihr Zelt verlassen hast, bekommst Du von hinten einen Dolch in den Rücken! Wir können von Glück sagen, dass ihr Anführer verschwunden ist. Jetzt nach König Siegwarts Tod wäre es ein Leichtes für die Wilden, über Ulshar wie eine Springflut hereinzubrechen und wie früher raubend, plündernd, brandschatzend und vergewaltigend durch die Lande zu ziehen. Doch ohne Anführer, der sie eint, sind sie kopflos und streiten sich erst mal miteinander. Es bleibt abzuwarten, wie gut die neue Khana sich im Sattel halten kann.

Kalden

Ja, sie mögen etwas rückständig und schwer von Begriff sein – auch wenn viele von ihnen eine gewisse Bauernschläue zeigen. Dennoch sind sie unsere armen Brüder, die jeden Gott verehren, den sie finden können. Kein Wunder, leben sie doch in einem so kargen Land, dass sie in schlechten Jahren Stroh essen müssen, um über den Winter zu kommen. Auch wenn wir manchmal in Aquillien einen besseren Preis bekommen könnten, so werden wir doch immer unser überschüssiges Korn und Honig nach Kalden verkaufen. Ein Kaldener steht zu seinem Wort und ist über Jahrzehnte hinaus ein verlässlicher Handelspartner. Es kam sogar schon nach Jahren mit besonders schwachen Ernten vor, dass ein Kaldener sein Kind in die Hörigkeit nach Tulenin verkauft hat, nur um den Rest der Familie über den Winter zu bringen. Natürlich muss man da helfen. Besser das Kind wächst in Tulenin als Knecht oder Magd auf, als dass es in einer aquillischen Hafenkaschemme irgendeinem Pfeffersack zu Willen sein muss.

Makrabar

Das Land und die Leute kann man wohl nur verstehen, wenn man von dort kommt. Makrabar ist ein ewiges Mysterium. Es sagt Einer „Ja“ und meint „Nein“. Ein Anderer lächelt Dich an und will im nächsten Moment Dir den Kopf abschlagen, nur weil Du Salz auf Deinen Reiskuchen gestreut hast. Die müssen aber auch alle verrückt sein, wenn es an jeder Ecke die verrücktesten Sachen gibt wie Magie, Alchemie, Geister, Hexenwerk, Blutmagie, Nekromanten, Giftmischer, Schwarzmagier und was sonst noch alles. Nein, das ist kein Land für einen rechtschaffenen Menschen, der brav unseren Göttern huldigt. Obwohl so manches Kraut aus Makrabar so manches Zipperlein zu kurieren weiß, ist Vorsicht geboten. Der alte Henstar aus unserm Nachbardorf bekam von einem fahrenden Händler sonderbare eckige und blaue Pillen aus Makrabar. Da hat er doch tatsächlich noch mit seinen achtzig Jahren ein gesundes Kind gezeugt! Aber wochenlang war kein Rock im Dorf vor ihm sicher, bis ihm das Teufelszeug endlich ausgegangen ist.

Ulshar-Kronlande

König Siegwart hat sich dieses Fürstentum zurecht als Kronland genommen, schließlich musste er ja seinen Hof ernähren. Angeblich gibt es in anderen Ländern einen reisenden Hof, bei dem der König von einer Pfalz zur nächsten reist und nie irgendwo länger verweilt. Wer will denn so einen unsteten Herrscher haben? Nun ist unser guter König Siegwart tot und wir hoffen, dass es Fürst Leonhart sein wird, der sich die Königskrone auf Haupt setzen wird. Das wäre doch das Beste für alle. Schließlich sind die Kronlande und Tulenin sich sehr ähnlich, wenn es auch nicht über unsere ausgedehnten Flachsfelder und unsere herrlichen Wälder verfügt. Wohin wohl König Siegwarts schwachsinniger Sohn verschwunden ist? Zwar äußerlich zum jungen Manne herangereift, verfügt er nur über den Verstand eines Dreijährigen. Mögen uns die Götter davor behüten, dass der Truchsess von Ulshar den armen Trottel auf den Thron hebt.

(Text vorlesen lassen mp3/ ogg)

Aus den gesammelten Reisetagebüchern des Uberto Soranzo, reisender Händler und Erbe des Soranzo Vermögens, Aquilia

Tulenin zu besuchen ist für mich als Aqulilianer immer ein bisschen wie der Besuch bei den eigenen Großeltern und deren rustikalen, die Zeit überdauernden Ansichten, Meinungen und Ausstattungen. Die gewaltigen Wälder, die sich bis zum Horizont erstrecken und das Land mit ihrem satten Grün zum Leuchten bringen, tragen alleweil Krönchen, in Form von mächtigen Trutzburgen oder zierlichen Schlössern aus weißem Gestein. Es vergeht kein Tag in diesem beschaulichen Land, ohne dass der Wind den fernen Klang eines Jagdhorns über die Baumwipfel trägt. Und so, liebes Tagebuch, so beginnt auch meine Geschichte im Land von Jagd und Königstreue. Nun, was heißt hier "meine Geschichte"? Die wäre schnell erzählt: Ich kam nach Tulenin, um Felle, getrocknetes Rotwild und feinste Leinenstoffe in allen Farben des Regenbogens zu erstehen. Während meiner Reise konnte ich mich der Gesellschaft und Gastfreundschaft eines Burgvogtes erfreuen, dessen Gefolge und beschauliche Hofhaltung mir den Eindruck vermittelten, als würde ich mich durch eines der Märchen bewegen, die mir meine Großmutter an kalten Winterabenden am Kamin erzählt hatte: Ich reiste mit stolzen Rittern, sah züchtige Schönheiten im Garten singen und Minnebänder knüpfen und auch junge Knaben auf Steckenpferden die großen Turniere der vergangenen Saison nachspielen. Es ist schier unmöglich einen Vergleich zu dem hektischen Treiben Aquilias zu ziehen, das sich alle Wochen neu erfindet. Diese tiefe Zufriedenheit mit der Gegenwart und ihr romantischer Blick in die Vergangenheit beeindruckten mich nachhaltig!

Wie es in Tulenin alte Sitte und alter Brauch ist, führte mich mein geschätzter Gastgeber mitsamt seiner engsten Vertrauten zur Jagd aus. Der Tag hätte herrlicher nicht sein können, auch wenn das frühe Aufstehen mir offenkundig schwerer fiel, als jedem anderen Teilnehmer unseres kleinen Exkurses. Mein ständiger Begleiter und Ansprechpartner während dieser frühmorgendlichen Beschäftigung war ein Ritter in grünem Kleid, wie er exakt so den Geschichten meiner Kinderstube entsprungen sein hätte können: sein langes Schwert an der Seite, wilde Locken auf dem Kopf und den prunkvoll geschmückten Helm locker in der Armbeuge. So trabten wir gemütlich der Jagdgesellschaft hinterher, jene von höherem Stand vor uns und an der Spitze ein unbändiges Rudel von reinrassigen Jagdhunden.

Nachdem das Horn erschallt war, die Hunde losgelassen und alle wahren Jäger ihrem offenkundigen Lieblingszeitvertreib nachgingen, verblieb ich mit einem Großteil der Gesellschaft auf einer grünen Anhöhe und überblickte die endlosen Wälder Tulenins. Es ist wohl meinem unsteten Geist zuzuschreiben, liebes Tagebuch, dass trotz aller Besinnlichkeit, ich auf Biegen und Brechen ein Gespräch vom Zaun brechen musste. So fragte ich meinen persönlichen Leibritter, was es denn für ihn bedeute, ein Mann Tulenins zu sein. Ohne lange nachdenken zu müssen, antwortete mir mein neuer Freund, dass er mir diese Frage besser in Form einer Geschichte beantworten könne, allerdings wäre die Hauptfigur nicht er selbst, sondern sein Lehrmeister und Ritter, der ihn dereinst vom Knappen zum Ritter ausgebildet und geformt hatte. Was für ein demütiger und anständiger Junge, liebes Tagebuch! So lass mich berichten:

Es begab sich vor vielen Jahren zur Zeit des großen Jahrmarktes, als Gaukler um Lacher feixten, Musik aus Lauten, Flöten und Trommeln ertönte und Wettkämpfe in allen ritterlichen Disziplinen ausgefochten wurden. Da durfte natürlich die Königin allen Kräftemessens, das Tjosten hoch zu Ross, nicht fehlen! Mein Begleiter, zu diesem Zeitpunkt noch ein aufstrebender und vorbildlicher Knappe im Dienst seines Herrn, berichtete mir von spannenden Zusammenstößen und höfischem Protokoll, das mindestens so wichtig für den Auftritt eines jeden Ritters war, wie siegreich und möglichst lebendig aus dem Wettstreit hervorzugehen. Jener junge Knappe konnte nicht anders als einen Funken zu sehen, der zwischen seinem Herren und einer zauberhaften Maid im Publikum entfacht war. Dies ging so weit, dass die zarten und bleichen Hände jener Schönheit ein kleines Tuch auf den hölzernen Zaun legte, der das Publikum vor den wütenden Hufen der gewaltigen Rösser schützte. In unerreichter Präzision soll der Ritter damals dieses Stück Stoff mit der Lanzenspitze aufgenommen haben und sich sogleich als Minnepfand in den Brustharnisch gesteckt haben! Ach, liebes Tagebuch, wie gern wäre ich dabei gewesen, so schillernd und rein malten die Worte des grünen Ritters jenen Tag vor meinen Augen!

Nun, der Markt fand sein Ende und alles schickte sich an, heimzukehren, doch der junge Knappe konnte seinen Herren nicht finden. Also packte er selbstständig zusammen, belud den Karren mit den Knechten zusammen und fuhr, dem Protokoll Folge leistend, zur Heimstatt seines Herrn, wo jener, zu seiner Überraschung, ebenfalls nie angekommen war. Am Tag darauf erreichte den Landsitz eine eilige Botschaft für den Ritter, welcher jedoch nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt war. Der junge Knappe schickte sich an seinen Herrn zu suchen und machte sich mitsamt dem eiligen Brief auf, alle Orte zu besuchen, die seinem Herren von wichtiger Bedeutung waren. Am zweiten Tag seiner Suche wurde er fündig, jedoch nicht in den weiten Wäldern, die zur Burg gehörten und auch nicht in den Musegärten der Bardenschule, die schon so manche Feder über das Pergament getrieben haben. In seiner Verzweiflung über das Verschwinden seines Herrn hatte der junge Knappe zum letzten Strohhalm gegriffen, der ihm übrig erschien, nämlich dem Absender des mysteriösen Schreibens, dessen er nach wie vor habhaft war. Das Bild, liebes Tagebuch, das mir folgend geschildert wurde, brannte sich mit all seiner Tragweite und erschütternden Gefühlen von Trauer und tiefster Bewunderung in mein Gedächtnis. Der Ritter lehnte, als man ihn fand, sitzend an einem Mauerrest, inmitten wuchernder Dornensträucher, deren Blüten ihren Dienst am Sommer bereits verrichtet hatten. Sein Wams war durchnässt und klebte wie eine zweite Haut an seinem ausgezehrten Körper, seine Lippen aufgesprungen und spröde, der Blick leer und verzweifelt auf ein verschlossenes Fenster gerichtet, hinter dessen Scheiben Kerzenlicht auszumachen war. Die Faust hatte er fest um ein regennasses Tüchlein geballt, dass er mit aller Kraft gegen seine Brust drückte. Mit rotgeweinten Augen schaute er zu seinem Knappen auf und besah ihn, als hätte er einen Geist gesehen, der ihn mit Häme verfolgte. Verzweiflung, Scham und Unverständnis saßen dort im Dreck und wünschten sich das Ende der Welt. Es musste wohl der dritte Tag des Ritters ohne Unterschlupf, Nahrung oder Wasser gewesen sein. Neben ihm lag, in zahllose Stücke zersprengt, seine treue Laute, wohl an eben jenem Mauerrest aus ihrer Existenz zertrümmert. Kein Wort der Sorge oder der Freude des Knappen schien zu seinem Herren durchzudringen. In seiner Not zwängte er seinem Herren das Schreiben auf, dessen Absender sie beide an diesen Ort geführt hatte. Noch während der Knappe seinen Brotbeutel aufriss und den Wasserschlauch entkorkte, begann der ausgemergelte Rittersmann mit zitternden Händen die Zeilen zu lesen.

Als wäre ein Blitz in ihn eingefahren, sprang er auf und hastete mit steifen Beinen und ungelenken Schritten zum Tor des steinernen Schlösschens und hämmerte mit einer solchen Kraft an die Tür, wie man sie einem Mann in seiner Verfassung unmöglich zugetraut hätte. Sein treuer Knappe folgte ihm auf dem Fuß und war stützend an seiner Seite, als seine letzten Reserven ihn zu verlassen drohten.

Da öffnete sich die Tür und die warme Luft des Hauses erhellte ihre Gemüter. Vor ihm stand eben jene Maid, die er auf dem Turnier gesehen hatte und in ihren Augen standen nichts als Fürsorge und entflammte Liebe. Der Ritter sank vor ihr auf die Knie, wohl eher aus Erschöpfung, als aus Hingabe. Sie griff an...

eine große metallene Muschel, die sie an einer goldenen Kette um den Hals trug und hielt sie sich an ihr Ohr, woraufhin er sich zu ihr beugte und begann, ihr in diese Muschel zu flüstern. Sie war taub gewesen und hatte 3 Tage lang auf Antwort auf ihren Brief gewartet, in dem sie neben diesem Detail auch ihre tiefste Bewunderung und minnegliche Liebe gestand.

Mein grün gewandeter Begleiter lächelte mich an, denn mir stand die Rührung und Begeisterung über diese Geschichte in Gesicht geschrieben. Und ja, liebes Tagebuch, sie blieben fortan zusammen und wurden gemeinsam alt. Jetzt verstehe ich, glaube ich mir anzumaßen, was es mit "Für den Thron, für das Land!" auf sich hat. Was für ungeübte Ohren vielleicht etwas plump klingen mag, spiegelt doch etwas wieder, was man nicht hinter hohen Burgmauern oder in tiefen Wäldern zu finden vermag, sondern in den Herzen und Geistern der Menschen von Tulenin. Dieses Volk hat sich die ritterlichen Tugenden von Ehre und Treue auf die Fahnen geschrieben, nein, viel eher sind sie ein fester Teil des Körpers von jedem einzelnen. Von einem Mann aus Tulenin ein Leben ohne Ritterlichkeit, ohne Romantik oder Hingabe zu fordern, wäre als würde man von ihm verlangen, sich den eigenen Arm abzureißen. Es geht hier nicht um blinde Treue gegenüber dem Träger der eisernen Krone, liebes Tagebuch, sondern um die aus tiefster Überzeugung wurzelnder Hingabe gegenüber allem, wofür die Krone steht. Glücklich schätze sich der König, der solche vortrefflichen Männer und Frauen in seinem Dienst weiß. Es hüte sich jener Monarch, der den hohen Anforderungen und Erwartungen dieses Volkes nicht gerecht wird.

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