Wege der Macht I - Die geborstene Krone

Der gelungene Kampagnenstart der Broken Crown-Orga

Vom 4. bis 7. Juli 2013 fand auf dem großartigen UTOPION-LARP-Gelände das erste LARP der „Broken Crown“-Orga statt. Während dieser Zeit tummelten sich über 350 enthusiastische Teilnehmer samt den Veranstaltern auf dem Gelände und erlebten gemeinsam, wie das Reich Ulshar in all seiner Pracht zum Leben erwachte. Selbst das Wetter meinte es gut mit Teilnehmern und Orga, denn trotz der eher launischen Kapriolen der Tage davor und danach strahlte während der Veranstaltung die ganze Zeit über die Sonne vom wolkenlosen Himmel.

Es ist nicht immer ganz einfach, ein neues LARP oder ein neues Konzept in dieser Größenordnung umzusetzen - vor allem wenn man bedenkt, wie dicht sich in Deutschland mittlerweile die Termine für uns Live-Rollenspieler drängen - und auch bei diesem ehrgeizigen Projekt knirschte es am Anfang leider ganz gewaltig im Getriebe. Dies war jedoch vor allem dem leidigen Umstand geschuldet, dass sich einige Möchtegern-Veranstalter und Vollzeit-Selbstdarsteller in die ursprüngliche Orga gedrängt hatten, die es im Laufe ihrer „Tätigkeit“ dann sogar schafften, den Initiator des Projektes aus dem Team zu drängen.

Unnötig zu sagen, dass dies der Planung der Veranstaltung nicht wirklich gut tat; vor allem wenn man bedenkt, dass diese fadenscheinigen Gestalten dann irgendwann - als es nämlich daran ging, echte Arbeit zu leisten - klammheimlich aus dem Staub machten und den Rest der Orga im Ungewissen zurück ließen. Zum Glück für alle Beteiligten schlug dann aber tatsächlich die große Stunde des „BC“-Teams, denn die verbleibenden Organisatoren rückten dadurch nur noch enger zusammen und konnten nun ernsthaft Hand in Hand mit der Arbeit an dem Projekt beginnen. Kompetente „alte Hasen“ und hoch motivierte neue Gesichter nahmen das Ruder für dieses LARP in die Hand, ließen den alten Ballast hinter sich zurück und bildeten somit ein zwar bunt zusammen gewürfeltes, aber in sich fest geschlossenes Organisationsteam, das weit im Vorfeld und während der Veranstaltung aufzeigte, dass trotz aller Startschwierigkeiten doch noch eine runde Sache aus der ersten Idee werden konnte. Und das Endergebnis konnte sich dann vor Ort nicht nur sehen lassen, es hat bewiesen, dass es selbst nach so vielen Jahren des Live-Rollenspiels noch immer neue und gute Konzepte gibt, die spannend umgesetzt werden können und allen Teilnehmern richtig Spaß bereiten können.

Das Konzept der „Wege der Macht“-Kampagne hat dabei niemals für sich in Anspruch genommen, das Rad in der LARP-Welt neu zu erfinden; dennoch muss gesagt werden, dass die von der Orga geplanten Ziele und Vorgaben erreicht und sogar deutlich übertroffen worden sind. Es ist dabei nun wirklich kein Geheimnis, dass die derzeit so immens erfolgreiche „Game of Thrones“-Reihe in Buch und Film Pate stand für einige der Ideen, die hierbei am Ende zum Leben erwacht sind. Allerdings gab diese nur den ganz groben Rahmen für das LARP vor. Prinzipiell sollten - wie auf den meisten größeren Cons mittlerweile üblich - die Teilnehmer sich einem von mehreren Lagern anschließen, die sich thematisch relativ stark voneinander unterschieden: Da gibt es zum Beispiel Kalden, das eher nordisch angehauchte Charaktere beherbergte, oder Makrabar, das sich an asiatischen Einflüssen und vor allem dem alten Japan und China orientierte. Ulshar und Tulenin sind ans Feudalsystem des europäischen Mittelalters angelehnt, Aquilien orientiert sich an den mächtigen und einflussreichen früheren Seefahrernationen wie zum Beispiel Portugal und das Khanat Hassar hatte unter anderem die mongolischen Reiterhorden der weiten Steppen des Ostens zum Vorbild. Alleine schon diese Vielfalt an unterschiedlichen Kulturen sorgte nicht nur für einen farbenfrohen Hintergrund, sondern ebenfalls dafür, dass man sich als Teilnehmer in jedem Lager in eine jeweils andere Welt versetzt fühlte. Bereits lange im Vorfeld wurde den Teilnehmern vermittelt, dass man bei diesem Event ganz bewusst auf die üblichen Fantasy-Kreaturen wie Elfen, Zwerge, Halblinge usw. verzichten wollte (obwohl diese als SC natürlich gerne gesehen waren), da diese einfach nicht zum Hintergrund passten; selbst Zauberei war eher selten und größtenteils den ohnehin geheimnisvollen Bewohnern Makrabars vorenthalten. Ganz allgemein wurde also ein Low Fantasy-Setting vorgegeben, das bei den Teilnehmern durchaus gut angenommen wurde, hob es sich doch von den meisten - an fantastischen Einflüssen geradezu übersättigten - Veranstaltungen wohltuend ab. Durch eine wohl durchdachte Hintergrund-Geschichte der Fürstentümer und deren Bewohnern mit ihren unterschiedlichen Kulturen war außerdem ein guter Ausgleich zu diesen fehlenden Fantasy-Elementen vorhanden und man fühlte sich beim Gang durch die verschiedenen Lager tatsächlich, als würde man ein anderes Land samt seinen ganzen speziellen kulturellen Eigenheiten betreten.

Diese teilweise extrem unterschiedlichen Lager samt ihrem Ambiente sowie ihren Plots wurden zum größten Teil von ihren Teamangehörigen gestaltet, was dazu führte, dass durchaus ein kleiner und gesunder Wettbewerb entstand, so dass sich schließlich die verschiedenen Gruppen mit ihrem Ambiente und der Atmosphäre gegenseitig zu übertrumpfen suchten - was der allgemein guten Stimmung während des Live-Rollenspiels natürlich sehr zugute kam. Übrigens wurde bei diesem Kampagnenstart auf einen großen und übergreifenden Plot weitgehend verzichtet - alle Teilnehmer (sowohl SC wie auch NC) sollten so frei und ungezwungen als möglich spielen, was ebenfalls für ein dynamisches und nie vorhersehbares Spielgeschehen sorgte; die verschiedenen Hausplots und -aktivitäten fingen etwaige Durchhänger während des Ablaufs dabei gut auf, so dass eine zwar entspannte, aber nie langweilige Atmosphäre dieses LARP beherrschte. IT-Spielleiter in Rolle hatten ein gutes Gespür für die Stimmungen in den Lagern und OT-SL sorgten dafür, dass sowohl SC wie auch NSC einen reibungslosen Ablauf genießen konnten. Solche kleinen Aktionen wie ein Minnewettstreit im Lager von Tulenin, das Training an der Waffe, Ausritte beim Khanat Hassar (ja, auf diesem LARP gab es Pferde!) oder Tai Chi-Übungen bei den Abgesandten von Makrabar hielten die SC beschäftigt und ließen keine Langeweile aufkommen. Außerdem war allein schon die Audienz bei einem der Fürsten ein wahres Erlebnis, wobei hier natürlich vor allem Hante Xiaoyu - der erhabene Herrscher von Makrabar - samt seinem farbenfrohen Hofstaat und exotischem Ambiente ganz besonders hervorstach. Solche landesspezifischen Dinge wie das wert- und machtvolle Vinios-Elexier oder der grüne Lotus ermöglichten es den SC, tief in den Hintergrund einzutauchen und nach und nach während des Spiels herauszufinden, was den Kontinent Lethe von anderen Ländern im LARP unterscheidet. Denn die Gabe der Magie kostete in Ulshar einen hohen Preis. Die NSC stellten hierbei übrigens den Großteil der königlichen Armee des Reiches dar und sollten nicht wenig gefordert werden, vor allem bei der Festsetzung des hochnäsigen Truchsess' und dem drauf folgenden Aufmarsch der gesamten Streitmacht von Kalden während eines Abends; durch das freie Spiel kam es auch hier dazu, dass die NSC völlig frei agieren konnten, einige von ihnen die Seiten wechselten und fleißig intrigierten.

Schon die Ausgangslage des Events war spannend: Der König des Reiches Ulshar auf dem Kontinent Lethe war kürzlich gestorben und man munkelte hinter der Hand (und bisweilen ganz offen), dass sein Tod kein Zufall gewesen war. Außerdem war der Thronfolger auf mysteriöse Art und Weise verschwunden, so dass jetzt jedes Fürstenhaus Ansprüche auf den verwaisten Thron des Landes und somit die Herrschaft geltend machte - was zu einigen sehr schönen Spielszenen und diversen Konflikten, aber auch Debatten und Diskussionen und einem herrlichen Intrigenspiel führte. Los ging es dabei am Donnerstag mit einer epischen Begräbniszeremonie, bei welcher der Leichnam des Königs verbrannt wurde und jeder Fürst diesem - entsprechend der jeweiligen Landestradition - die letzte Ehre erwies; ein gelungener und überaus stimmungsvoller Auftakt, bei der übrigens eine komplette Ritterrüstung den Flammen geopfert wurde, was sicher nicht alle Tage vorkommt (leider blieb von ihr nur noch ein bisschen geschmolzenes Metall übrig). Danach konnten die SC losziehen und die verschiedenen Lager erforschen sowie deren jeweilige Eigenheiten kennenlernen, was alleine für sich gesehen bereits ein echtes Erlebnis war, da sich die Hausspieler wie bereits erwähnt sehr liebevoll und aufwändig um Ambiente, Landeshintergrund und Hausplots bemüht hatten.

Zwar standen Schlachten und Kämpfe während der nun folgenden Tage nicht im Vordergrund (was aber von Anfang an so kommuniziert worden war), dafür aber die hohe Kunst der Diplomatie und des Intrigenspiels, bei denen es zu außergewöhnlichen Szenen kam; sehr schönes Augenfutter boten unter anderem die vom Truchsess oder der Königin einberufenen Sitzungen, bei der natürlich alle Fürsten samt Hofstaat anwesend waren und bei denen so manch ein wahres Wort gesprochen, aber ebenfalls Gerüchte in die Welt gesetzt sowie fleißig und verstohlen Bündnisse geschlossen oder gebrochen wurden.

Im Laufe des Spiels kam dann erst nach geraumer Zeit ans Tageslicht, wer denn wirklich hinter den verworrenen Ereignissen um den Tod des Königs und das Verschwinden des Thronfolgers steckte und dabei wurde die Loyalität von manch einem vorher treuen Gefolgsmann hart auf die Probe gestellt. Und wer dabei noch die Zeit dazu fand, konnte sich in der gemütlichen Taverne entspannen, der Musik der Spielleute lauschen oder einen kleinen Bummel zu den anwesenden Händlern machen. Das UTOPION-Gelände bot mit seiner landschaftlich reizvollen und abwechslungsreichen Umgebung eine überaus passende Location für die Veranstaltung und die versteckten Winkel und Ecken sollen beim nächsten LARP noch deutlich besser genutzt werden.

Obwohl der Kampagnenstart des „Wege der Macht“-LARP ganz zu Beginn unter keinem allzu guten Stern stand, hat das kreative Miteinander der späteren Hauptorga dafür gesorgt, dass trotz aller Anfangsschwierigkeiten auf der Veranstaltung selbst davon so gut wie nichts mehr zu spüren war; der Kontinent Lethe samt seinen so unterschiedlichen Kulturen und Ländern wurde stimmungsvoll und mit viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt und das Konzept kam offenbar bei einem Großteil der Teilnehmer sehr gut an (so sind aufgrund der großen Nachfrage nun bereits eigene Haus- und Vorcons für das nächste „Wege der Macht“ geplant). Zwar musste sich die Orga erst einmal zusammen raufen, tat dies aber auf eine kompetente und freundschaftliche Weise, die der Stimmung auf dem Event nur gut tun konnte. Sowohl das freie Spielkonzept wie auch die gesamte Hintergrundidee gingen auf und machten diese Tage zu einem echten Erlebnis, das bald schon fortgesetzt werden soll.

Vor allem der enorm hohe Standard an Ambiente und Gewandung hob dieses erste LARP der „Broken Crown“-Orga von anderen Veranstaltungen dieser Art ab, aber ebenso die Tatsache, dass es eben nicht an jeder Ecke Fantasy-Elemente zu finden gab, sorgte für eine wohltuende Abwechslung vom normalen LARP-Einerlei; die Hausspieler und allen voran die Fürsten haben sich einiges einfallen lassen und mit viel Herzblut und schönem Spiel dafür gesorgt, dass die Teilnehmer sich sowohl gut aufgehoben, wie gut unterhalten fühlen durften, selbst wenn Eigeninitiative von ihnen gefragt war, um der völlig freien Handlung zu folgen (von der nicht einmal die meisten NSC etwas wussten). Die Orga hat aus den durchaus noch vorhandenen Problemen und Schwierigkeiten dieses ersten LARP bereitwillig gelernt und bereits eine lange Liste erstellt, was alles beim zweiten „Wege der Macht“-Event verbessert und geändert werden soll, so dass beim nächsten Mal zum Beispiel deutlich mehr NSC zur Verfügung stehen sollen. Die Rückmeldungen der SC und NSC werden dabei sehr ernst genommen, denn schließlich sind sie und ihre Spielfreude sowie Akzeptanz des Konzeptes es am Ende gewesen, die das LARP zu einem Erfolg haben werden lassen … geschrieben von Karl-Heinz Zapf

Jeder kann dabei mit entscheiden, wer bald schon auf dem Thron sitzen wird.
Wir treffen uns in Ulshar!

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